Wann gilt ein Arztbesuch als bezahlte Dienstfreistellung?

21. August 2019

In diesem Artikel wird der Frage nachgegangen, ob bei jedem Arztbesuch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht und ob die Wegzeiten zwischen Betrieb und Ordination ebenfalls zu den bezahlungspflichtigen Dienstverhinderungszeiten zählen.

Grundsätzlich gilt, dass Arzttermine möglichst außerhalb der Arbeitszeit zu vereinbaren sind.

Der Arbeitnehmer hat allerdings das Recht der freien Arztwahl. Hat der Arbeitnehmer bereits einen Hausarzt bzw Vertrauensarzt, so darf er diesen auch dann besuchen, wenn dieser nur einen Termin während der Arbeitszeit hat. Der Arbeitnehmer muss seinen Vertrauensarzt nicht wechseln, nur um einen Termin außerhalb der Arbeitszeit zu bekommen.

Der Grundsatz der freien Arztwahl darf nicht unverhältnismäßig überspannt werden. Es steht dem Arbeitgeber frei, die entgeltpflichtige Wegzeit auf ein angemessenes Ausmaß zu begrenzen (zB je eine Stunde für den Hin- und Rückweg), wenn der Arbeitnehmer ohne triftigen Grund einen Arzt in ungewöhnlicher Entfernung wählt. Der Arbeitnehmer muss sich dann für die restliche Zeit Zeitausgleich oder Urlaub nehmen (vgl Kronberger/Kraft, PVP 2018/26).

Die Frage der Arztwahl wirkt sich auch auf die Wegzeiten aus. Für die Entgeltfortzahlung für Wegzeiten wird unterschieden, ob der Termin (zB Arzt) vom Betrieb oder von der Wohnung aus aufgesucht wird:

  • Die Wegzeiten zwischen Betrieb und Arzt (und retour) zählen zu den entgeltfortzahlungspflichtigen Wegzeiten, sofern diese in die Normalarbeitszeit des Arbeitnehmers fallen.
  • Wegzeiten zwischen Wohnung und Arzt:
    • Aufsuchen des Arztes aufgrund freier Entscheidung des Arbeitnehmers: Eine Direktfahrt steht grundsätzlich im überwiegenden Interesse des Arbeitnehmers, weil er sich das zwischenzeitige Aufsuchen des Betriebs spart. In derartigen Fällen sind keine Wegzeiten, sondern nur die Aufenthaltszeit beim Arzt zu zahlen.
    • Aufsuchen des Arztes aufgrund einer Anordnung des Arbeitgebers: Ordnet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an, einen Arzt aufzusuchen, dann ist in diesem Fall die Wegzeit als Dienstzeit zu bezahlen (vgl Kronberger/Kraft, PVP 2018/36).

Gleiches gilt für Arbeitnehmer mit Gleitzeitvereinbarungen. Fällt ein Arzttermin in die fiktive Normalarbeitszeit, ist dieser ein Dienstverhinderungsgrund und damit Arbeitszeit. Der Gleitzeitrahmen hat bei Dienstverhinderungen keine Bedeutung.

Beispiel: Arztbesuch

Fiktive Normalarbeitszeit von 09:00 bis 12:30 Uhr und von 13:00 Uhr bis 17:30 Uhr.

Gleitzeitrahmen von 07:00 bis 19:00 Uhr.

Auf Grund eines Arzttermins um 08:30 Uhr wird die Arbeit erst um 09:45 Uhr angetreten.

Als Arbeitszeit für den Arztbesuch gilt die Zeit von 09:00 bis 09:45 Uhr.

Dauert beispielsweise ein Arzttermin von 16:30 bis 18:00 Uhr, gilt die Zeit von 16:30 bis 17:30 Uhr (= Ende der fiktiven Normalarbeitszeit) als Dienstverhinderung.