Die Aufenthaltstage sind für die „183-Tage-Regel“ maßgeblich
Besonders in international agierenden Unternehmen spielt Mitarbeitermobilität eine immer größere Rolle. Die Bandbreite reicht hier von kurzfristigen Aktivitäten wie die Teilnahme an Schulungen im Ausland bis hin zu mehrmonatigen Entsendungen zu einem verbundenen Unternehmen im Ausland. Gemeinsamer Ausgangspunkt ist, dass der Arbeitnehmer weiterhin bei seinem Heimatunternehmen angestellt bleibt und dieser Staat nach wie vor sein Ansässigkeitsstaat bleibt - etwa weil dort der Familienwohnsitz liegt. Interessant ist neben der möglichen Steuerpflicht des Heimatunternehmens im anderen Staat (z.B. weil eine Betriebsstätte begründet wird) vor allem die Frage, ob durch diese Auslandsaktivitäten der andere Staat ein Besteuerungsrecht an den Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit des Arbeitnehmers erhält.
Die Aufteilung des Besteuerungsrechts zwischen zwei Staaten wird im jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geregelt, die sich für Österreich typischerweise am OECD-Musterabkommen (OECD-MA) orientieren. Für die Aufteilung des Besteuerungsrechts an dem Gehalt des angestellten Arbeitnehmers zwischen dem Ansässigkeitsstaat und dem Tätigkeitsstaat kommt Artikel 15 OECD-MA zur Anwendung. Diese Norm sieht vor, dass Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen für unselbständige Tätigkeit grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat besteuert werden dürfen. Sofern die unselbständige Tätigkeit jedoch im anderen Staat ausgeübt wird, darf auch der Tätigkeitsstaat die dort bezogenen Vergütungen besteuern. Damit nicht bereits eine kurze Dienstreise eine mögliche Doppelbesteuerung des Dienstnehmers auslöst, weist das OECD-MA das ausschließliche Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zu, sofern die drei folgenden Voraussetzungen kumuliert erfüllt sind:
- Der Empfänger (der Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit) hält sich im anderen Staat (Tätigkeitsstaat) insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten, der während des betreffenden Steuerjahres beginnt oder endet, auf (und)
- Die Vergütungen werden von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt, der nicht im anderen Staat (Tätigkeitsstaat) ansässig ist (und)
- Die Vergütungen werden nicht von einer Betriebsstätte getragen, die der Arbeitgeber im anderen Staat (Tätigkeitsstaat) hat.
Wesentliches Kriterium bei der Entscheidung, in welchem Staat die Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit besteuert werden dürfen ist also die sogenannte „183-Tage-Regel“. Für die Frage, ob durch die Auslandstätigkeit der Tätigkeitsstaat das Gehalt des österreichischen Arbeitnehmers besteuern darf, sind in einem ersten Schritt die Aufenthaltstage im Ausland zu ermitteln. Als Aufenthaltstage zählen Tage physischer Anwesenheit, wobei es nicht erforderlich ist, dass an diesen Tagen eine Arbeitsleistung erbracht wird. Folglich zählen nicht nur Wochenenden, Feiertage und Urlaubstage als Aufenthaltstage, sondern auch Anreise- und Abreisetage. Da Teilanwesenheit in einem Land ausreicht, kann ein 24-Stunden-Tag zu mehreren vollständigen Aufenthaltstagen in verschiedenen Ländern führen.
Bei Überschreiten der 183 (Aufenthalts)Tage im Ausland erlangt der Tätigkeitsstaat ein Besteuerungsrecht an den Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit. Nun kommen in einem zweiten Schritt für die tatsächliche Aufteilung der zu versteuernden Einkünfte die Arbeitstage ins Spiel. Es sind für das Ausmaß des Besteuerungsrechts des Tätigkeits- bzw. des Ansässigkeitsstaats nämlich nicht die Aufenthaltstage, sondern die Arbeitstage entscheidend. Im Unterschied zu den Aufenthaltstagen kommt es hierbei auf das Überwiegen an - folglich kann ein Arbeitstag immer nur einem der das Besteuerungsrecht beanspruchenden Staaten zugeordnet werden.
Um eine mögliche Steuerpflicht an den Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit im Tätigkeitsstaat (Ausland) abschätzen zu können, ist es ratsam, die entsprechenden Tage wie auch die Aktivitäten zu dokumentieren. Sollte dem Tätigkeitsstaat ein Besteuerungsrecht zukommen, so wird durch das DBA regelmäßig sichergestellt, dass es zwar zu einer Besteuerung im Ausland kommt, nicht aber zu einer Doppelbesteuerung.
Bei einer Mitarbeiterentsendung („Secondment“), in deren Rahmen ein in Österreich angestellter Mitarbeiter für einen bestimmten Zeitraum bei und für ein verbundenes Unternehmen im Ausland arbeitet, verliert die 183-Tage-Regel übrigens an Bedeutung, da typischerweise das aufnehmende Unternehmen die Kosten für den entsendeten Mitarbeiter trägt und daher der Tätigkeitsstaat unabhängig von der Dauer der Entsendung ein Besteuerungsrecht an den Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit erhält.